Kritik Startbahn West

Aus: Frankfurter Neue Presse (online), Lokales Mörfelden-Walldorf , 17. April 2009 02:50 Uhr

Panzer verteidigten Startbahn-Bau

Adelheid Seltmann zeigte im Kulturbahnhof Fotos aus den 1980er Jahren bis heute und benutzte auch das Archiv der Bürgerinitiative in Mörfelden. Dann las sie aus dem Kapitel «Stadtwald» ihres Buches vor.

Mörfelden-Walldorf. Uniformierte Polizisten stehen den Demonstranten am Startbahn-Zaun gegenüber, die Bilder sprechen für sich. Es sind keine Erklärungen nötig, denn die meisten Gäste erinnern sich beim Betrachten der Fotos noch gut daran. Mit kämpferischer Musik unterlegt ist der Film «Der lange Zorn» eine Aufforderung, Entscheidungen der Staatsgewalt nicht widerstandslos hinzu- nehmen.
Die etwa 30 Gäste im Mörfelder Kulturbahnhof (Kuba) sind bewegt, als sie die Bilder aus der Zeit des Baus der Startbahn-18 West sehen. Adelheid Seltmann brachte rund 300 Fotografien mit, sie nutzte Bilder aus dem Archiv der Bürgerinitiative (BI) gegen den Flughafenausbau sowie von Rudi Hechler von der Mörfelder BI. Besonders interessant waren zudem neuere Fotos aus den Jahren 2000 bis heute, die den Widerstand gegen den Bau der Nordwestlandebahn im Kelsterbacher Wald dokumentieren.

Keine Macht für niemand

Während des Films mit Fotos aus der Startbahn-Zeit ist Musik der Band «Ton, Steine und Scherben» zu hören. Parolen wie «Keine Macht für niemand» sowie kritische Lieder gegen die Herrschenden drücken die Haltung der Startbahn-Gegner aus.«Wir haben einen Feind, sein Name ist Mensch, er ist 10 000 Jahre alt. Er hat zwei Augen und will nichts sehen, er hat zwei Ohren und will nichts hören», heißt es in dem Lied.

Seltmann las aus dem Kapitel «Stadtwald» ihres Buches «Aus der Stadt des Hieronymus» vor. Kirchenvater Hieronymus, der von 347 bis 419 lebte, stehe für Modernisierung. Das Kapitel in Seltmanns Buch beginnt mit einem Jungen, der nach einer Anti-Startbahn-Demo in der Rohrbachstraße in Frankfurt verletzt in die Schule kommt. Seltmann beschreibt danach, wie Tausende Polizisten den Wald umstellen

«Der Startbahn-Bau wurde rechtskräftig beschlossen. Wir brauchen sie, denn der Luftverkehr nimmt doch zu», meint ein Polizist. Die Vertreter der BI rufen empört: «Hier darf nicht gerodet werden, wir brauchen doch den Stadtwald.» Obwohl auch die Hauptfigur Hieronymus überzeugt ist, dass der Wald mit friedlichem Protest gerettet wird, schreitet dessen Zerstörung voran. Die Startbahn-Gegner im Hüttendorf schwören sich gegenseitig zu bleiben und auf Bäumen zu schlafen. «Wir werden Schilder aufstellen: ,Fast 100 Jahre ist dieser Baum geworden, er wird ge!ällt, als wäre Nichts gewesen’.» Doch trotz des jahrelangen Protests können die Startbahn-Gegner letztlich nichts ausrichten. Polizisten schieben den Startbahn-Zaun immer weiter vor. „Wir führen nur Befehle aus», rechtfertigen sich die Ordnungshüter. Am Ende beschreibt Seltmann die Radikalisierung der Anti-Startbahn-Bewegung. « Verhandlungen haben nichts gebracht. Ich glaube keinen Worten mehr», sagt ein Gegner. Die Lesung endet mit den Schüssen vom 2. November 1987, als an der Stadtbahn zwei Polizisten getötet wurden.

Seltmann, die früher in Frankfurt lebte und nun in Berlin wohnt, lobte das Engagement der BI, denn diese habe viel bewirkt. Sie hob hervor, dass es nicht allein um den Kampf gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens gehe. Vielmehr müsse die weltweite Erhöhung des Flugverkehrs aus Klima-schutzgründen gestoppt werden. Dies sieht Petra Schmidt von der BI Mörfelden-Walldorf ähnlich: «Unser Widerstand ist ein globales Thema. Obwohl der Wald in Kelsterbach gefällt ist, werden wir weitermachen.» dib